Ausgabe zur METAV 2018

11 WERKZEUGBAU G emeinsam mit den Zer- spanungsspezialisten des Audi Werkzeug- baus gelang der Vero Software GmbH die Entwicklung einer neuen WorkNC-Hochvor- schubstrategie. Ihr Erfolg: Beim Vorschlichten verschiedener Presswerkzeuge konnte Audi bis zu 30 Prozent der Bearbeitungs- zeit einsparen. Zudem haben sich die Werkzeugstandzeiten verdreifacht. Der Werkzeugbau der Audi AG, der seit Jahresbeginn 2017 den offiziellen Namen „Kompetenzcen- ter Anlagen- / Umformtechnik“ (kurz: KCU) trägt, gehört seit je- her zu den Kernkompetenzen der Audi AG. In seinen Zuständigkeits- bereich fallen sowohl Presswerk- zeuge für Türen, Motorhauben, Seitenteile der Fahrzeuge etc. als auch die Anlagen für den Karosse- riebau. Vom internationalen Wett- bewerb zu externen Dienstleistern angetrieben, sind die Verantwort- lichen permanent auf der Suche nach Innovationen, mit denen sich Abläufe und Ergebnisse ver- bessern lassen. Einer, der sich täglich mit In- novationen beschäftigt, ist Mar- kus Brunner, Mitglied im Team „Betriebsmanagement Maschinen- technik“ des KCU in Ingolstadt. Zu seinen Aufgaben gehört es, die zerspanende Fertigung im Werk- zeugbau hinsichtlich CAD- und CAM-Technik zu optimieren. Er erklärt: „Wir sind hier mit Ein- zelteilbearbeitung konfrontiert, woraus besondere Anforderungen erwachsen. Der häufige Produkt- wechsel erfordert vor allem eine große Flexibilität in der Zerspa- nung. Diesbezüglich kommt auch einer effizienten CAM-Program- mierung große Bedeutung zu.“ Markus Brunner beschäftigt sich vor allem damit, durch mo- derne, CAM-programmierte Zer- spanungstechnologien die Be- arbeitungsqualität zu steigern sowie Durchlaufzeiten und damit Bearbeitungskosten zu redu- zieren. Sein Partner auf Seiten der Programmiersoftware ist die Vero Software GmbH mit ih- rem CAM-System WorkNC, das im Audi Werkzeugbau schon seit vielen Jahren eingesetzt wird. „Wir nutzen WorkNC durchgän- gig vom 3-Achs- und 3+2-Achs- bis zum 5-Achs-Simultan-Fräsen von Formenwerkzeugen sowie zunehmend auch in der 2,5D- Bearbeitung“, beschreibt Markus Brunner den Einsatzbereich und weist auf entscheidende Vorteile dieser Software hin. „Die Program- mierung und Handhabung von WorkNC ist extrem einfach, was in der Einzelteilfertigung besonders wichtig ist. Selbst komplizierte Bauteile können wir intuitiv und schnell programmieren. Des Weite- ren bietet WorkNC viele Möglich- keiten, um Bearbeitungsumfänge bzw. deren Programmierung trotz Einzelteilfertigung zu standardi- sieren und zu automatisieren.“ Als vielfältig und effizient bezeichnet er darüber hinaus die von WorkNC bereitgestellten Bearbeitungsstra- tegien, die es ermöglichen, „jedes Bauteil wirtschaftlich zu program- mieren und zu bearbeiten.“ Fräsen mit hohem Vorschub Um die Fräsbearbeitung künftig noch effizienter zu machen, ent- wickelt Vero die Software WorkNC permanent weiter. Die Version 2017 R1 (siehe Kasten) enthält zum Beispiel eine neue Hochvor- schubstrategie, die auf Anregung der Audi Werkzeugbauer und in enger partnerschaftlicher Zusam- menarbeit mit ihnen entstanden ist. Während es beim Hochge- schwindigkeitsfräsen (High Speed Cutting / HSC) in erster Linie um das Erzeugen qualitativ hochwer- tiger Oberflächen geht, steht das Hochvorschubfräsen (High Feed Cutting / HFC) für kurze Bear- beitungszeiten beim Schruppen und Vorschlichten. Verschiedene Anbieter haben dafür spezielle Werkzeuge mit Hochvorschub- geometrien entwickelt, deren Schneidkanten eine deutlich grö- ßere Kontaktlinie zum Werkstück aufweisen als herkömmlich einge- setzte Rundwendeplatten. Dadurch geht die radiale Schnittkraftbelastung auf den Frä- ser und die Maschinenspindel so stark zurück, dass sich deutlich höhere Zahnvorschübe fahren las- sen und das Zeitspanvolumen auf ein Mehrfaches ansteigt. Das wirkt sich insbesondere bei der zerspa- nungsintensiven Schrupp- bzw. Vorschlichtbearbeitung positiv auf die Bearbeitungszeit und Ferti- gungskosten aus. Neue Strategie für Fräs- werkzeuge beliebiger Kontur Bevor Vero die neue WorkNC- Lösung präsentierte, sahen sich die Anwender beim Einsatz sol- cher Fräswerkzeuge mit folgen- der Problematik konfrontiert: CAM-Systeme konnten bislang die neuen Hochvorschubgeometrien nur unzureichend abbilden, was in der praktischen Anwendung zu einem undefinierten Aufmaß auf der Bauteiloberfläche führte. Das wiederum beeinträchtigte die Pro- zesssicherheit im nachgelagerten Schlichtprozess. Die neue Hochvorschubstrate- gie berücksichtigt nun die Abwei- chungen der Fräswerkzeuggeome- trien mit nicht regulärer Schneide. WorkNC vermeidet dadurch, dass am Werkstück undefinierte Aufma- ße entstehen. Markus Brunner ist vom Ergebnis begeistert: „Durch diese neue Strategie ist es möglich, Fräswerkzeuge jeglicher Kontur ein- zusetzen, also auch welche, deren Schneide von einer Regelgeometrie wie Kugel oder Torus abweicht. Da- mit können wir sogar Fräswerkzeuge nutzen, die speziell auf einen defi- nierten Anwendungsfall hin konzi- piert wurden.“ Die Begeisterung kommt nicht von ungefähr. Schließlich waren Brunner und seine Kollegen Im- pulsgeber für die Neuentwicklung. Zudem stellten sie für Testzwecke Maschinenkapazität zur Verfügung. In Versuchen wurde zum Beispiel das negative Flächenoffset eines Presswerkzeugs für eine Autotür gefräst. Während die Vorschlicht- bearbeitung des Türaußenteils bis- lang drei Stunden und 15 Minuten dauerte und die Schneidplatten dreimal gewechselt werden muss- ten, gelang die Bearbeitung mit der neuen Hochvorschubstrategie von WorkNC in nur einer Stunde und 42 Minuten – und ohne Plattenwech- sel. Das eingesetzte Werkzeug war ein Hochvorschubfräser 1DP1E von Ingersoll Cutting Tools (WSP-Typ PEMT0502ZCTR-HR, WSP-Qualität IN2505; 65 mm Auskraglänge). Größeres Zeitspanvolumen erreicht „Durch den Einsatz der Hochvor- schubstrategie von WorkNC und ent- sprechenden Werkzeugen können wir beim Vorschlichten bis zu 30 Prozent der Bearbeitungszeit ein- sparen“, berichtet Markus Brunner aus seiner Erfahrung. Zur längeren Werkzeugstandzeit tragen die im Vergleich zu Rundplattenfräsern ge- ringeren Abdrängungskräfte bei. Da die hauptsächlichen Bearbeitungs- kräfte in Z-, also in Spindelrichtung, entstehen, kommt es zu weniger Schwingungen und das Werkzeug läuft in der Regel ruhiger, was sich positiv auf die Schneiden auswirkt. Als Besonderheit hebt Markus Brunner hervor: „Die neue WorkNC- Strategie kann auch bei negativem Flächenoffset eingesetzt werden, was nach meinem derzeitigen Wis- senstand kein anderer CAM-Anbieter ermöglicht. Wir werden sie jeden- falls in Zukunft bei allen Bauteilen im Bearbeitungsschritt Vorschlich- ten einsetzen.“ Stimmiges Gesamtpaket Für Markus Brunner und seine Kollegen ist die neue Hochvor- schubstrategie ein Beispiel für die gute partnerschaftliche Zu- sammenarbeit zu Vero und den WorkNC-Entwicklern. Die Zufrie- denheit erstreckt sich jedoch auf viele weitere Punkte, wie der CAM- Experte ausführt: „Enorm wichtig sind für uns die Möglichkeiten von WorkNC zum nachträglichen Modifizieren von programmierten Fräsbahnen wie das bereichswei- se Offsetieren und Schneiden von Bahnen.“ Er erwähnt außerdem die kurzen Berechnungszeiten durch 64-Bit- und Multiprozessor- Technologie, die gerade beim Pro- grammieren großer Bauteile von großer Bedeutung sind. Sehr geschätzt wird auch die Flexibilität des Gesamtsys- tems. Die Postprozessoren von WorkNC sind zum Beispiel nicht verschlüsselt und können durch den Anwender angepasst werden. „Dadurch ist es uns in den letzten Jahren gelungen, den Automati- sierungsgrad in unserer Einzelteil- fertigung deutlich zu steigern“, erwähnt Markus Brunner. Somit lässt sich auch die CAM-Ausgabe zügig an die immer komplexer werdende Maschinentechnik an- passen, so dass das Potential der Werkzeugmaschinen vollständig ausgeschöpft werden kann. Ende 2016 veröffentlichte Vero Software die Version 2017 R1 von WorkNC, einer CAD/CAM-Software, die vor allemmit Blick auf Einzelteil- und Kleinserienfertiger entwickelt wurde. Sie wartet mit leistungsstarken neuen Frässtrategien auf, wie zum Beispiel einer Werkzeugbahn-Strategie für paralleles Schlichten auf der Grundlage der „Advanced Toolform“- Technologie. Die neue Berechnung der Werkzeugbahn für paralleles Schlichten berücksichtigt die tatsächliche physikalische Geometrie des Schneidwerkzeugs, egal ob es sich um einen Hochvorschub-Fräser, ein Standardwerkzeug oder eine beliebige konvexe Werkzeugform handelt. Damit möchte Vero Anwender animieren, sich von den Beschränkungen standardmäßiger Werkzeugformen zu lösen und die Möglichkeiten der For- men von Hochvorschub-Geometrien zu nutzen. Dieses Feature steht auch in den anderen wichtigen Strategien zur Verfügung. Weitere Zeit sparende Innovationen in WorkNC 2017 R1 sind die 3D-Werkzeugkorrektur und die dynamische Warteschlange für die Fräsbahn-Berechnung. Für Verbesserungen bei Qualität und Funktionen bei der Bearbeitung großer Bauteile sorgt die neue Strategie für vertikale Drehungen in Auto5, die bei Grenzwertüberschreitungen eine überzeugende Lösung bietet. Die 5-Achs-Bearbeitung profitiert von einer neuen Option zur Erstellung und Bearbeitung von 5-Achsen-Kurvensätzen, die ruckartige Bewegungen des Maschinenkopfs vermeiden helfen. Vero Software GmbH Schleussnerstr. 90-92 63263 Neu-Isenburg Deutschland Tel.: +49 6102 7144 0 Fax: +49 06102 7144 56 E-Mail: info.de@verosoftware.com www.verosoftware.de WorkNC: Im Werkzeug- und Formenbau zuhause Knapp 2500 Mitarbeiter sind weltweit im Kompetenzcenter Anlagen- / Umform- technik (KCU) der Audi AG beschäftigt, das die Bereiche „Werkzeugbau“ und „Anlagenbau“ zusammenfasst. Es bietet Kompetenzen in allen Stufen der Prozesskette an: von der Entwicklung, Planung, Konstruktion und Simulation von Werkzeugen und Anlagen über die Anfertigung, Einarbeit sowie Montage bis zur Inbetriebnahme von Werkzeugen und Anlagen. Die Presswerke der jeweiligen Standorte fertigen die entsprechenden Bauteile. Im Stammwerk in Ingolstadt sind im KCU rund 1000 Mitarbeiter beschäftigt. AUDI AG 85045 Ingolstadt www.audi.com Markus Brunner, I/PK-351 Tel.: +49-841-89-712401 Mobile: +49-1525-7712401 markus.brunner@audi.de Große Kompetenz im Werkzeug- und Anlagenbau Werkzeugbau gibt Gas Neue WorkNC Hochvorschubstrategie senkt Bearbeitungszeit beim Vorschlichten um bis zu 30 Prozent 1 Effizienz beim Fräsen: Mit der neuen Hochvorschubstrategie von WorkNC spart der Audi Werkzeugbau beim Vorschlichten bis zu 30 % Bearbeitungszeit. Dabei wird das Werkzeug geschont, weshalb sich dessen Standzeiten deutlich verlängern. 2 Markus Brunner: „Die Partnerschaft mit unserem CAM-Ausrüster Vero und seinem WorkNC-Entwicklerteam war absolut zielführend. Mit der neuen Hochvorschubstrategie hat sich die Bearbeitungszeit fürs Vorschlichten von Presswerkzeugen enorm verkürzt. 3 Die neue WorkNC-Hochvorschubstrategie berücksichtigt Fräswerkzeuge jeglicher Kontur. So entstehen keine undefinierten Aufmaße, welche die nachfolgende Schlichtbearbeitung beeinträchtigen könnten. 4 Im Audi „Kompetenzcenter Anlagen- / Umformtechnik“ entstehen sowohl die Presswerkzeuge für Türen, Motorhauben, Seitenteile der Fahrzeuge etc. als auch die Anlagen für den Karosseriebau. (Alle Bilder: Audi AG)

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