Ausgabe zur AMB 2018

4 DIGITALISIERUNG IN DER ZERSPANUNG TEXT & BILD: LANDESMESSE STUTTGART GMBH MESSEPIAZZA 1 70629 STUTTGART D igitalisierung in der Zerspanung: Das be- deutet, Werkzeuge, Spannmittel und Werk- stücke lernen dazu und kommu- nizieren mit anderen am Prozess beteiligten Komponenten. Wie funktioniert das konkret im Fertigungsalltag? Und führt es letztlich zur selbstoptimieren- den Werkzeugmaschine? Ant- worten und Lösungsansätze gibt die kommende AMB – Interna- tionale Ausstellung für Metall- bearbeitung – vom 18. bis 22. September in Stuttgart. Da ist noch viel Luft nach oben in punkto Digitalisierung. Das je- denfalls erfuhr die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in einer jüngst durchgeführten Befragung unter Mittelständlern. Zitat: „Der Anteil der Mittelständler, der in den zurückliegenden drei Jahren erfolgreich Digitalisierungsprojek- te abgeschlossen hat, ist mit 26 Prozent deutlich kleiner als bisher vermutet.“ Ein genauerer Blick zeigt zwar, dass das F&E-intensive verarbei- tende Gewerbe, zu dem der Werk- zeugmaschinenbau gehört, mit 31 Prozent etwas besser dasteht. Noch sind das aber hauptsächlich Investitionen in die IT-Strukturen sowie die Schnittstellen und Kon- takte zu Kunden und Zulieferern. Mit der Digitalisierung von Pro- dukten und Dienstleistungen be- fassen sich bislang nur 19 Prozent der Projekte. Immerhin betrugen die Digitali- sierungsausgaben 2016 knapp 14 Milliarden Euro. Zur Einordnung: Die Innovationsausgaben des Mit- telstands lagen bei 3,2 Milliarden Euro, die Investitionen in Maschi- nengebäude, Einrichtungen und ähnliches bei 169 Milliarden Euro. Hemmnisse seien vor allem feh- lende IT-Kompetenzen, Datensi- cherheit und Datenschutz, Unter- nehmens- und Arbeitsorganisation sowie eine mangelnde Qualität der Internetverbindungen. Die KfW empfiehlt dennoch dringend, „die Digitalisierung im deutschen Mit- telstand weiter voranzutreiben“. „Digital Way“ zeigt wie es funktionieren kann Hilfestellung bieten will hier- bei die AMB, eine der fünf größ- ten Werkzeugmaschinenmessen der Welt. Im Rahmen der neuen Sonderschau „Digital Way“ zeigen IT-Anbieter konkret, wie sie Un- ternehmen der zerspanenden Fer- tigung auf dem Weg zu Industrie 4.0 unterstützen. Mit einer Kom- bination aus hochkarätigem zwei- tägigen Kongress (18. bis 19. Sep- tember 2018) und begleitender Ausstellung erhält „die AMB eine neue Plattform, auf der Anwender sich umfassend darüber informie- ren können, wie Industrie 4.0 und die Digitalisierung in der Produk- tion konkret umsetzbar sind“, sagt Gunnar Mey, Abteilungslei- ter Industriemessen der Messe Stuttgart. Auch die Hersteller von Maschi- nen und Komponenten gehen auf die Wünsche und Sorgen der Be- sucher ein. Beispiel Chiron, Anbie- ter von Turnkey-Lösungen für die Metallverarbeitung: „Allgemeine Skepsis besteht noch häufig ge- genüber der Datensicherheit bei Anbindung von Maschinen ans Internet, da viele Unternehmen die Gefährdung des eigenen Know- hows befürchten. Diese Vorbehalte nehmen wir ernst und gehen da- von aus, dass wir hier mit unse- ren sicheren Lösungen überzeugen können“, verspricht Pascal Schrö- der, Experte für digitale Lösungen unter dem Oberbegriff „Smartline“ der Chiron-Gruppe. Der deutsche Maschinenbau ist in der Vergangenheit nicht auf den Hype Industrie 4.0 oder Digitalisierung aufgesprungen, konstatiert auch Markus Frank, Abteilungsleiter für „Net4Indust- ry“ beim Werkzeugmaschinenher- steller Grob. In den letzten 18 Mo- naten sei jedoch „eine deutliche Steigerung von Aktivitäten und Bemühungen in diesem Bereich“ zu beobachten. Fest steht: „Indus- trie 4.0 bildet die Grundlage, um ressourcenschonend, flexibel und produktiv die Maschinen und Anla- gen zu betreiben.“ Grob entwickelt seit über vier Jahren Applikatio- nen und Lösungen für die vernetze Produktion und setzt sie auch im eigenen Unternehmen ein. Industrie 4.0 auf dem Shopfloor angekommen „Der Weg zu einer selbstopti- mierenden Werkzeugmaschine hat gut begonnen, die Entwicklung hierbei ist aber noch lange nicht abgeschlossen“, urteilt Jürgen Förster, Geschäftsleitungsmitglied von Spanntechnikhersteller AMF Andreas Maier. Letztlich gehe es immer um die Kommunikation unterschiedlicher Medien, Kompo- nenten und Systeme. „Dies sollte für unsere Branche Alltag und je- des Unternehmen sich im Klaren sein, welchen Beitrag es dazu leis- ten kann.“ So wird beispielsweise Chiron zwei neue Produkte aus der Smart- line-Familie auf der AMB präsen- tieren. Conditionline ist eine Soft- ware, die vollautomatisch alle für einen zuverlässigen Betrieb rele- vanten Maschinenparameter ana- lysiert. Schröder: „Dadurch lässt sich die Verfügbarkeit der Ma- schine erhöhen, Wartung und Re- paraturen können gezielt geplant und so Produktivitätsverluste ver- mieden werden.“ Außerdem stellt man das Bedienkonzept Touchline vor, das Maschinenanwender unter anderem mit kontextsensitiven In- formationen unterstützen soll. Klaus Winkler, Vorsitzender der Geschäftsführung und CEO der Heller-Gruppe, sieht in Indust- rie 4.0 den Ansatz, den Zustand von Werkzeugmaschinen jederzeit transparent zu machen und ge- wonnene Informationen mit be- reits vorhandenen Daten zu einer zielgerichteten Diagnose auszu- werten. Winkler: „Unter ‚Heller- 4Industry‘ bündeln wir alle Aktivi- täten, die im Zusammenhang mit Industrie 4.0 und der Digitalisie- rung der Prozesskette stehen.“ Ne- ben einer höheren Maschinenpro- duktivität konzentriert sich Heller auf die Unterstützung durchgän- giger Engineering-Ketten. Kernas- pekte sind ergänzende Maschinen- funktionalitäten, Dienstleistungen „on demand“ und erweiterte Servi- cemöglichkeiten. Neuentwicklun- gen werden auf der AMB zu sehen sein, unter anderem, in Kooperati- on mit Siemens, das Heller Servi- ces Interface. Ohne Vernetzung keine smarte Fabrik Vernetzung muss sich rechnen. Das ist für Hansjörg Sannwald, Leiter Markt- und Produktmanage- ment CNC-Systeme bei Bosch Rex- roth, oberstes Gebot: „Lösungen werden sich nur dann durchsetzen, wenn sie wirkliche Vorteile bie- ten.“ Der wirtschaftlichste Weg führe zumeist über den „Brown- field-Ansatz“, einem Begriff aus der Softwareentwicklung: „Werk- zeugmaschinenhersteller nutzen bereits installierte Maschinen und Anlagen weiter und vernetzen die- se nachträglich.“ So lassen sich mit dem IoT-Gateway von Bosch Rexroth auch bereits installierte Maschinen und Anlagen kosten- günstig vernetzen, und zwar in- nerhalb weniger Stunden von Be- triebselektrikern ohne besondere SPS-Kenntnisse. Wie kommen die Daten aus der Maschine? Spanntechnikherstel- ler AMF Andreas Maier setzt auf neuentwickelte Funksensorik. Sie ermöglicht via Bluetooth platz- sparend eine drahtlose Zustands- übertragung von Spannsystemen und Handling-Geräten. „Die ver- schiedenen Zustände können ab- gefragt und mittels einer eigenen Software visualisiert werden“, er- läutert Geschäftsleitungsmitglied Jürgen Förster. Auf die unmittelbare Nähe sei- ner Greifer und Spannmittel zum Werkstück verweist Schunk. „Wir können also Daten direkt am Werk- stück abgreifen und diese an über- geordnete Systeme weitergeben“, erklärt Henrik Schunk, geschäfts- führender Gesellschafter und CEO. „Smart Gripping“ und „Smart Clamping“ liefern eine vollstän- dige Echtzeit-Datenbasis der Produktion und damit die nötige Transparenz, um Prozesse weiter zu optimieren. Auf der AMB zeigt das Unternehmen, wie ein solches Szenario realisiert werden kann: beispielsweise mit dem smarten Parallelgreifer EGL, den Schunk als Technologieträger fürs Smart Gripping weiterentwickelt hat. Er erkennt ohne zusätzliche externe Sensorik fehlerhafte Bauteile und entscheidet, ob diese aus dem Prozess auszuschleusen sind. Auch Werkzeuge liefern Daten Erstaunlicherweise besonders intensiv mit der Digitalisierung beschäftigen sich viele Herstel- ler von Präzisionswerkzeugen. Giari Fiorucci, Vice President Ser- vices bei Mapal Dr. Kress, bestä- tigt zunächst einmal die von der KfW festgestellten Hindernisse: die IT-Infrastrukturen, aber auch die Qualität der vorhandenen Da- ten. „Zahlreiche mittelständische Unternehmen haben Projekte in Richtung Industrie 4.0 laufen; al- lerdings fungieren die meisten le- diglich als Insellösung und bieten keine Vision für einen weiteren umfassenden Ausbau, wie es für eine durchgängige Digitalisierung erforderlich ist.“ Gar einen gewissen Überdruss in Sachen Industrie 4.0 regist- riert Florian Böpple, Manager Di- gital Manufacturing bei Walter, im Mittelstand. Metallbearbeitende Unternehmen seien grundsätzlich motiviert, oft fehle aber der kon- krete Nutzen der angebotenen Lö- sung. Sein Fazit: „Metallzerspaner brauchen praxisnahe Lösungen, die ihnen dabei helfen, Prozesse zu verbessern und Kosten einzu- sparen.“ Vielleicht durch Künstliche Intelligenz? Dr. Jan Brinkhaus, Leiter Business Segment „Digital Solutions“ bei Ceratizit, verspricht nichts weniger als „Fähigkei- ten der Künstlichen Intelligenz für die Werkzeugmaschine“. Das Assistenzsystem „Toolscope“ er- kennt beispielsweise automatisch Werkzeugbrüche, regelt adaptiv den Vorschub oder koppelt Werk- zeugdaten auf Cloud-Server aus. „Die Software ‚Toolscope Cockpit‘ erlaubt wiederum, diese Daten auf übersichtliche Weise anzuzeigen und vielfältig auszuwerten.“ Digitalisierungslösungen müs- sen sich möglichst unkompliziert in ein Netzwerk integrieren las- sen. Dabei sind in der Regel die Schnittstellen zwischen den Di- gitalisierungselementen die sehr große Herausforderung. Karl-Heinz Schoppe, Innovation & Marketing bei mimatic ergänzt: „Hier setzt unser Produkt eltimon an, das als offene Plattform für Partner und Kunden die wichtigsten Digitali- sierungselemente bietet, sodass die Schnittstellenthematik wei- testgehend entfällt.“ Eltimon wird daher ein entscheidender Bestand- teil der geplanten Elabo Smart Factory zum Digital Way sein. Bit für Bit zumSpan Digitalisierung in der Zerspanung in vollemGange Mit den Digitalisierungslösungen der Chiron Group lassen sich Fertigungsprozesse steuern und optimieren; darüber hinaus sichern sie die Verfügbarkeit der Anlagen – unter anderem durch eine vorausschauende, planbareWartung 18. 9.– 22.9.2018

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