Ausgabe zur MEDICA 2019

6 DIGITALISIERUNG TEXT & BILD: MESSE DÜSSELDORF GMBH STOCKUMER KIRCHSTRASSE 61 40474 DÜSSELDORF GERMANY W ie können Präpara- te digitalisiert und damit zugänglich gemacht werden für den Einsatz Künstlicher Intelli- genz? Und lassen sich Arbeitsprozesse der Pathologie künftig sogar von Heimarbeitsplätzen aus realisie- ren? Zumindest die erste Frage findet zwar noch nicht durch ge- lebte Realität Beantwortung, rein technisch betrachtet scheint sie aber gelöst: „Digitalisierung der Pathologie – vollumfänglicher, elektronischer Workflow mit allen fallrelevanten histologischen Ob- jektträgern zur digitalen und da- mit ortsunabhängigen Befundung“ lautet jedenfalls der Name eines der fünf „Schlüsselprojekte“, die beim diesjährigen Projektzyklus der Digitalisierungsinitiative ENT- SCHEIDERFABRIK behandelt und im Rahmen der weltführenden Me- dizinmesse MEDICA in Düsseldorf im November vorgestellt werden (Laufzeit MEDICA 2019: 18. – 21. November). Den großen Gemein- schaftsstand der ENTSCHEIDERFA- BRIK finden die MEDICA-Besucher in Halle 13 (Stand E 80). Dass sich die ENTSCHEIDERFAB- RIK auch der Pathologie widmet, hängt mit den Potenzialen zusam- men, die sich aus der Digitalisie- rung für diesen Bereich ergeben. Der Alltag von Pathologen besteht aus der mikroskopischen Beurtei- lung von Gewebe sowie vielfach auch hochmoderner molekula- rer Krebsdiagnostik. Obwohl der Fachbereich in den letzten Jah- ren durch Highend-Technologien wie `Next-Generation-Sequencing´ und weitere molekulare Analysen seinen Stellenwert als Wegweiser moderner Krebstherapie beweisen konnte, so bleibt dies zumindest in Deutschland eine Disziplin mit geringem Digitalisierungsgrad. „Die neuartigen Therapieoptionen – wie die Immuntherapie – die sich gerade in der Therapie fort- geschrittener Krebserkrankungen entwickelt haben, formulieren eine Notwendigkeit, die moderne Pathologie in der Diagnostik zu er- weitern. Verfahren der Künstlichen Intelligenz, die hierfür in Frage kommen, setzen voraus, dass die Schnittpräparate digital vorlie- gen“, erklärt Professor Reinhard Büttner, Leiter des Instituts für Pathologie am Universitätsklini- kum Köln. Objekträger am Fließband scannen Die Firmen Sectra und Hama- matsu Photonics wollen koopera- tiv mit dem Universitätsklinikum Köln und der Technischen Univer- sität München das Thema Digita- lisierung der Pathologie angehen. Denn bislang kommen hier Mikro- skope und nahezu ausschließlich analoge Objektträger für die Aus- wertung der Gewebeproben zur Anwendung. Dabei ist es bereits jetzt möglich, im Labor hergestell- te Objektträger mit Hilfe eines Sli- de-Scanners zu digitalisieren. Der moderne Spezial-Scanner von Ha- mamatsu benötigt etwa rund drei- ßig Sekunden pro Objektträger. Die dabei entstehenden Datenmengen sind jedoch volumenträchtig: Die Bilder nehmen immerhin drei Gi- gabyte pro Objektträger im DICOM- Format in Anspruch. Das macht es notwendig, auch die Herausfor- derung der Übermittlung dieser großen Datenmengen praktikabel zu lösen. Ähnlich anderen bild- gebenden Verfahren werden die digitalen Bilder der Objektträger auf Basis eines „Pathologie-PACS“ (PACS = Picture Archiving & Com- munication System) in einem digi- talen Bildmanagementsystem ge- speichert, dargestellt und verteilt. Aus dem IT-Verwaltungssystem der Pathologie bzw. des Labors werden die Bilder des zu befundenen Falls auf Anforderung des Arztes auto- matisch geöffnet. Der Arzt führt die Befundung am Monitor durch und er diktiert den Befund in sei- nem IT-System. Weltweit gibt es zwar auch erste Installationen, in denen es gelun- gen ist, den kompletten Workflow in der Pathologie durch digitale Systeme abzubilden. In Deutsch- land findet die Einführung der neuen technischen Möglichkeiten für die klinische Routine jedoch nur zögerlich statt. Dabei bietet die Digitalisierung klare Vorteile. Im Universitätsklinikum Köln soll die Digitalisierung der Objektträ- ger genutzt werden, um die Daten auswertbar und zugänglich für den Einsatz Künstlicher Intelligenz zu machen. Dies soll helfen, die Diag- nosesicherheit weiter zu erhöhen. „In unserem aktuellen Projekt erheben wir diagnostische Mar- ker der Krebsdiagnostik mit Hilfe moderner Bildanalyse, um so noch genauer und zuverlässiger thera- pierelevante Entscheidungen tref- fen zu können“, berichtet Sebasti- an Klein, forschender Arzt am UKK in Köln. Zudem können digitali- sierte Bilder besser in Konferen- zen und im Lehrbereich verwendet werden. Die neuen Optionen sind vielfältig. Die Digitalisierung er- möglicht verteilte Workflows mit flexibler Personalplanung sowie eine ortsunabhängige Befundung insbesondere bei Schnellschnitten ohne Transport durch Taxis. Letzt- endlich könnte die Digitalisierung der Pathologie der Einrichtung von Heimarbeitsplätzen und der Versorgung entfernter Standorte dienen. Ein Datenflickenteppich und die Prüfung durch den MDK… Zweifelsohne sollte in die Digi- talisierung das gesamte Klinikum einbezogen werden. Aktuelle Ge- setze, Verordnungen und Richtli- nien stellen große Anforderungen und Aufgaben – zum Beispiel an das Entlass- sowie Prozessma- nagement. Klinische Daten und Dokumente können zudem dann lebensverlängernd für viele Pati- enten sein, wenn sie als Basis für Prozesseffizienz, Kommunikation und mehrwertspendende Wissens- generierung vollständig elektro- nisch verfügbar sind. Startet beispielsweise der Me- dizinischen Dienst der Kranken- kassen (MDK) eine Anfrage, ist es wichtig, zeitnah zu reagieren. Dann müssen die Unterlagen bin- nen acht Wochen nach Zugang der Unterlagenanforderung an den MDK übermittelt werden, ansons- ten drohen Rechnungsabzüge in empfindlicher Höhe. Jedoch kommt dieser Vorgang vielerorts noch ei- ner besonderen Herausforderung gleich: „Die meisten Krankenhäu- ser in Deutschland haben die Da- ten in unterschiedlichen Formaten und auf unterschiedlichen Medien gespeichert“, schildert Dirk Holt- haus von promedtheus AG. Als Seniorberater ist er involviert in das ENTSCHEIDERFABRIK-Projekt- thema „Archivar 4.0 und die Un- terstützung des Digitalen Wandels durch interoperable Archivierung intelligenter Patienten-Akten“. Am Thema Archivar 4.0 arbeiten so unterschiedliche Projektpart- ner wie die Klinikgruppe AMEOS und die St. Vincenz Krankenhaus GmbH in Paderborn mit. Hier ist es derzeit noch so, wie es in den meisten deutschen Kliniken dem Status quo entspricht. Gewachse- ne Strukturen und Prozesse füh- ren dazu, dass die führende Akte immer noch die Papierakte ist. Zwar ist der Digitalisierungsgrad durchaus recht hoch, aber etliche Geräte und Programme in den Ab- teilungen sind noch Insellösungen und damit nicht optimal einge- bunden in die Gesamt-IT. Eine ge- meinsame Plattform könnte diese „Inseln“ zusammenführen und den derzeit vorherrschenden „typi- schen“ Prozessablauf vereinfachen in technischer, logistischer und organisatorischer Sicht. Denn bislang wird die Papier- akte in vielen deutschen Kliniken erst zeitlich weit nach der Entlas- sung des Patienten gescannt und im KIS (Krankenhausinformations- system) elektronisch zur Verfü- gung gestellt. Die Bilddokumen- tation (DICOM-Objekte) liegen in der Regel im PACS vor. Statt dieses Datenflickenteppichs wären zent- ral zusammengeführte Daten dann von enormen Vorteil, etwa im Hin- blick auf Informationen für den Entlassbrief eines Patienten, die DRG-Eingruppierung (Diagnosis Related Groups) zur Abrechnung oder eben eine Anfrage des MDK. Auslagerung von Daten als Option Die DMI ist als Dienstleister für Archivierung beteiligt am Digita- lisierungsprojekt Archivar 4.0. Sie hat sich einer Herkulesaufgabe verschrieben: der nutzerfreund- lichen Archivierung von Klinik- daten, gesichert über Jahrzehnte und unter Berücksichtigung vor- handener Gesetze und Regelungen im Sinne vollständigen Daten- schutzes und Datensicherheit. Für Kliniken könnte sich daraus eine lohnenswerte Option ergeben. Dreißig Jahre müssen Daten revi- sionssicher gespeichert werden. Ein Krankenhaus könnte etwa für einen Fünfjahreszeitraum Daten- speicherung mit der hauseigenen IT umsetzen, um die älteren Daten dann mit Hilfe der DMI elektro- nisch einsehen zu können. Bei DMI werden die Daten IHE-konform (IHE = Integrating the Healthcare Enterprise) gespeichert. Dieser globale Standard ist im Gesund- heitswesen weitverbreitet und stellt eine Initiative von Anwen- dern und Herstellern mit dem Ziel dar, den Datenaustausch zwischen IT-Systemen im Gesundheitswesen zu standardisieren und zu harmo- nisieren. 75 Organisationen – zum Beispiel die Deutsche Röntgen- gesellschaft, der Bundesverband Gesundheits-IT und der Zentral- verband Elektrotechnik- und Elek- tronikindustrie – gehören dem namensgebenden `Integrating the Healthcare Enterprise´ allein in Deutschland an. Die Daten werden bei DMI verschlüsselt gespeichert, so dass das Unternehmen diese selbst nicht lesen kann. Weitere Vorteile einerseits, Komplexität andererseits Der Service rund um das System einer zentralen Datenzusammen- führung und -archivierung hat noch weitere Vorteile zu bieten. So können zum Beispiel Dubletten erkannt und deren Bereinigung dem Klinikum vorgeschlagen wer- den. Auch eine datenschutzkon- forme Sicht auf die einrichtungs- übergreifende Patientenakte ist möglich. Gerade große Klinikket- ten könnten hiervon profitieren, schließlich erwartet mancher Pa- tient, dass seine Daten vorliegen, wenn er bereits ein Krankenhaus der gleichen Kette besucht hatte. Die möglichen Anwendungen von Archivar 4.0 sind so vielfältig wie komplex, dass im ersten Schritt bis zur MEDICA 2019 zunächst ein Lasten- und Pflichtenheft mit den an diesem ENTSCHEIDERFABRIK- Projekt beteiligten Kliniken for- muliert werden soll. Die Umset- zung ist planmäßig im nächsten Jahr vorgesehen und wird auch wieder für den Projektzyklus 2020 als ein zentrales Digitalisierungs- Projektthema zur Wahl gestellt. Bessere Kommunikation ohne WhatsApp Ein großes Verbesserungspoten- zial für Krankenhäuser sehen viele in der Kommunikation. Im privaten Bereich gehört hier WhatsApp zu den führenden Playern. Aber zahl- reiche, insbesondere datenschutz- rechtliche Nachteile stehen dem dienstlichen Einsatz im Rahmen des Gesundheitssystems entgegen. So wurde bereits im Projektzyklus 2018 der ENTSCHEIDERFABRIK die sichere Kommunikation zwischen den Mitarbeitern von Kliniken per alternativem Messenger `Netsfe- re´ thematisiert und umgesetzt. Dessen Einführung hat dabei eine sichere und intuitive Kommunika- tionsplattform in den beteiligten Kliniken geschaffen. Zum wei- teren Ausbau der Lösung haben sich diese Krankenhäuser nun eine stärkere Einbindung in die pflegerischen und medizinischen Prozesse und die nachhaltige Dokumentation im Krankenhaus- informationssystem (KIS) vorge- nommen. Der Bedarf gerade an dieser Stelle ist sehr hoch. Denn vorhandene Nachrichtenwege werden als verstaubt und unflexi- bel wahrgenommen. Hier kommt Netsfere ins Spiel, um für den klinischen Alltag einen Freiraum für eine schnelle selbstbestimm- te Interaktion der Mitarbeiter zu schaffen. Mit diesem Messenger kann die Klinik-IT sicherstellen, dass ausgetauschte Nachrichten, Bilder, Videos etc. von klinikeige- nen und von Endgeräten der Mitar- beiter bei Bedarf sicher archiviert und für Audits verfügbar werden. Zudem haben Anwender der Klinik die Möglichkeit, über die sichere Gastnutzer-Funktion auch Pati- enten in die sichere Kommuni- kation einzubinden. Im Klinikum Nordoberpfalz wird zum Beispiel die Blutschwämmchen-Nachsorge mittels Bildübertagung durch Netsfere unterstützt. Eltern und Ärzte ersparen sich dadurch Zeit und Wege, die Therapiekontrolle wird insgesamt engmaschiger und schneller. Messenger als dominierendes Kommunikationstool In der weiteren Folge könnte das System zu einem alles domi- nierenden Kommunikationstool ausgebaut werden – von der Ausspielung von Alarmen über Netsfere, der Koordination von Einsatz-Teams bis hin zu pati- entenorientierten Anwendungen (z. B. Informationen, Integration von Aufklärungsbögen). Infinite Convergence Solutions, als Her- steller der Lösung NetSfere, wird im nächsten Schritt zusammen mit der St. Augustinus-Gruppe, Elisabeth Krankenhaus Essen, Uni- versitätsklinikum Bonn, Vestische Caritas Kliniken, Westpfalz-Klini- kum, Kinderkrankenhaus auf der Bult, Kliniken Nordoberpfalz und der Ategris-Gruppe ein entspre- chendes Kommunikationskonzept entwickeln, um es anschließend in Netsfere umzusetzen. Am Dienstag, 19. November, werden die Ausarbeitungen zu den beschriebenen drei und den beiden weiteren Digitalisierungsthemen 2019 der ENTSCHEIDERFABRIK beim 42. Deutschen Krankenhaus- tag im Rahmen der MEDICA 2019 präsentiert. Weitere Informationen zur MEDICA-Beteiligung der ENT- SCHEIDERFABRIK sowie eine Projektübersicht sind online abrufbar unter: https://www. medica.de/entscheiderfabrik. Spannende Digitalisierungsprojekte der ENTSCHEIDERFABRIKwerden bei der MEDICA 2019 vorgestellt Von der Laborbank an den Heimarbeitsplatz – die Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten

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