Messekurier-Emo-2023

24 11/2023 Nachhaltigkeit Text & Bild: Deutsche Messe Messegelände 30521 Hannover Wie sehr sich die Welt der Fertigungstechnik in Zeiten von Klimaschutz und Dekarbonisierung verändern kann, wird auf der EMO Hannover 2023 rund um das Fokusthema „Future of Sustainability in Production“ deutlich. Es geht um Entwicklungen in den Bereichen nachhaltige Produktion, Energieeffizienz, alternative Antriebe und vieles mehr. Wo über Jahrzehnte etwa der Verbrennungsmotor eine dominierende Rolle spielte, beschäftigt Werkzeugmaschinenhersteller und Zulieferbetriebe zunehmend die Frage, wie Rückgänge in diesem Bereich zu kompensieren sind. Mit großem Potenzial und Chancen für neue Geschäftsfelder lockt der Einstieg in Wasserstofftechnologien. Wissenschaftlich begleitete Entwicklungspartnerschaften entlang der Wertschöpfungskette könnten das Investitionsrisiko reduzieren. Die zuverlässige Versorgung Deutschlands mit grünem Wasserstoff ist das große Thema, nicht erst seitdem die Bundesregierung die Nationale Wasserstoffstrategie fortgeschrieben und damit, wie es heißt, die staatlichen Leitplanken für die Erzeugung, den Transport und die Nutzung von Wasserstoff und seinen Derivaten gesetzt hat. Grüner Wasserstoff wird treibhausgasfrei hergestellt durch Elektrolyse von Wasser, wobei der dafür eingesetzte Strom aus erneuerbaren Quellen stammt. Die notwendige Infrastruktur zu entwickeln, ist eine Herausforderung, eine andere stellt die Produktion von grünem Wasserstoff dar. Wissenschaftlicher Input für Innovationen Bis grüner Wasserstoff in nennenswertem Umfang zur Verfügung steht und einen Teil des heutigen Verbrauchs fossiler Energien ersetzen kann, geht es nach einer Information der WGP (Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik) vorrangig darum, die Produktion von Stacks und Elektrolyseuren zu automatisieren, die Produktionskapazitäten drastisch zu erhöhen und dabei die geforderte Qualität zu gewährleisten. Die Herstellung von Stacks, dem Kernbestandteil von Elektrolyseuren, in denen die Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff erfolgt, sei derzeit reine Manufaktur und damit sehr kostenaufwändig. Zudem seien die Fertigungskapazitäten begrenzt. Forschende der WGP wollen für anstehende Aufgaben den wissenschaftlichen Input geben. Neben Universitäten und Hochschuleinrichtungen arbeitet gegenwärtig die Fraunhofer-Gesellschaft am Thema Wasserstofftechnologien, wobei den Partizipationsmöglichkeiten der Industrie besonders viel Raum gegeben wird. Großunternehmen wie Bosch, ThyssenKrupp oder ABB haben längst ihre Strategie für den schnell wachsenden Markt entwickelt. Darüber hinaus muss es darum gehen, die Transformation in der Breite zu beschleunigen, will man ehrgeizige Klimaziele erreichen oder eine Spitzenposition in der technologischen Entwicklung der Wasserstoffsysteme für sich beanspruchen. Virtuelle Plattform als Turbo für die Wertschöpfungskette Schrittmacher für die industrielle Massenproduktion von Elektrolyseuren und Brennstoffzellen zu werden, hat sich die „Referenzfabrik.H2“ als Ziel gesetzt, die vom Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU in Chemnitz konzipiert und gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT in Aachen sowie dem ebenfalls in Chemnitz ansässigen Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme ENAS betrieben wird. Die Referenzfabrik.H2 stellt sich als hybrides Produktionssystem dar, das auf physischen und virtuellen Komponenten basiert. Es umfasst Maschinen und Anlagen zur Fertigung der wesentlichen Stack-Komponenten Bipolarplatte (BPP), Dichtung und Catalyst Coated Membran (CCM). „Fraunhofer denkt dezentral“, erläutert Dr. Ulrike Beyer, Leiterin der Referenzfabrik.H2. Das neuartige Konzept ermögliche es, dass die erforderlichen Technologieentwicklungen eweils vor Ort erfolgen. So können etwa eine Umformpresse für BPP in Chemnitz und Fertigungsmodule für CCM in Chemnitz und Aachen zur Verfügung stehen. Deren digitale Zwillinge werden zentral in einer gemeinsamen Architektur gesammelt und für Verfahrensvergleiche sowie -bewertungen und Prozessbetrachtungen genutzt. Ziel sei es, einen Technologiebaukasten zu entwickeln, dessen Einzelkomponenten sich technologisch und wirtschaftlich bewerten lassen. So sollen das Investitionsrisiko reduziert und Unternehmen bei der Entwicklung ihres Geschäftsfeldes Wasserstoff unterstützt werden. „Das Interesse an Wasserstofftechnologien ist riesig, auch aus den KMU,“ stellt Dr. Beyer fest. Allerdings seien kleinere Unternehmen oft auf die Frage fixiert, wie man saubere Energie für die eigene Produktion erzeugen kann. „Wichtiger ist es meines Erachtens jedoch zu erkennen, dass sich hier eine einmalige Chance bietet, in einem riesigen Markt neues Business zu generieren“, sagt die Wissenschaftlerin. Das gelte auch und besonders für Unternehmen, die Kompetenz aus der Metallbearbeitung und -umformung mitbringen. Wichtiges Anliegen der Referenzfabrik.H2 sei es daher, dass sich Industrieunternehmen unterschiedlicher Größe und Ausrichtung einbringen und gemeinsam im Schulterschluss mit der Wissenschaft bei der Wasserstoffsystem-Produktion vorankommen. Kompetenz aus Partnerunternehmen als wichtiger Baustein In der Referenzfabrik arbeiten die Beteiligten „auf Augenhöhe“ zusammen, berichtet Dr. Michael Hirsch, Geschäftsbereichsleiter „Neue Technologien“ bei der Firma Profiroll Technologies aus Bad Düben. Die Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IWU habe bei Profiroll Tradition, sagt Dr. Hirsch. Deshalb sei das Unternehmen, das auf Profil- und Gewindewalztechnologie spezialisiert und auch im September als Aussteller auf der EMO Hannover präsent ist, frühzeitig an Bord gewesen. Für den Einstieg in das Thema Wasserstoff gab es einen weiteren guten Grund: Profiroll untersucht gegenwärtig verschiedene Möglichkeiten, Rückgänge im Automobilsegment zu kompensieren. Die größten Chancen für Wasserstoff sehe man allerdings nicht im Fahrzeugbereich, sondern eher als Energieträger in der Industrie und für die Speicherung von Energie. Für die Referenzfabrik.H2 hat der Werkzeugmaschinenhersteller in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IWU eine Walzprägeanlage zur Fertigung von Bipolar(halb)platten entwickelt. Der Vorteil der Wasserstofftechnologien liegt für Profiroll darin, so Dr. Hirsch, dass sie auf bewährter Technologie gründen: „Brennstoffzelle und Elektrolyse sind grundsätzlich nichts Neues, kamen aber bislang aus dem Labormaßstab nicht hinaus. Jetzt entwickelt sich ein Markt, und wir müssen in die Massenfertigung kommen“. Die Zusammenarbeit in der Referenzfabrik erhöhe die Chancen, schneller und kostengünstiger produzieren zu können. Chancen nutzen für neues Business und Klimaschutz

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