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BRANCHEN NEWS
TEXT & BILD: VEREIN DEUTSCHER
VDW. E.V., CORNELIUSSTRASSE 4, 60325 FRANKFURT
K
omplexe Maschinen,
hohe Geschwindigkei-
ten und hohe Leistung
können für den Maschi-
nenbediener eine gefährliche
Mischung darstellen. Dennoch
sind Werkzeugmaschinen sicher.
Viele Experten haben lange daran
gearbeitet, das aktuelle Sicherheits-
niveau zu erreichen: Werkzeugma-
schinenhersteller, Anwender, Ge-
sundheits- und Sicherheitsfachleute,
die EU-Kommission und internatio-
nale Normungsgremien. Anlässlich
des Safety Day for Machine Tools auf
der EMO Hannover 2017 werden füh-
rende Experten einen Überblick über
die Chancen und Herausforderungen
beim aktuellen Stand der Technik ge-
ben. Zudem berichten sie über ihre
Erfahrungen, wie praktische Lösun-
gen hohe Sicherheit gewährleisten
und was in Zukunft noch getan wer-
den muss.
Der aktuelle Stand der Sicherheits-
technik an Werkzeugmaschinen ist
eine bemerkenswerte Entwicklung:
"Über viele Jahrzehnte haben die
Unternehmen bewiesen, dass sie mit
den Risiken, die mit der Bedienung
von Werkzeugmaschinen einherge-
hen, umgehen können", erklärt Hein-
rich Mödden, Experte für Maschinen-
sicherheit beim EMO-Veranstalter
VDW (Verein Deutscher Werkzeugma-
schinenfabriken), Frankfurt am Main.
Natürlich müssten noch weiterge-
hende Anstrengungen unternommen
werden, aber "Das zahlt sich aus, da
die Anzahl an Unfällen kontinuierlich
zurückgeht", fährt Mödden fort. Mit
den traditionellen Konstruktionsprin-
zipien sei bereits ein hohes Maß an
Sicherheit erreicht.
Werkzeugmaschinen:
Eingebaute Sicherheit!
Zu dieser erfreulichen Entwicklung
hat die Europäische Maschinen-
richtlinie 2006/42/EC aus dem Jahr
1993 wesentlich beigetragen. Sie
zielt darauf ab, die Sicherheitsstan-
dards innerhalb der Europäischen
Union zu vereinheitlichen. "Die EU-
Maschinenrichtlinie war eine Erfolgs-
geschichte, da sie das Arbeitsumfeld
erheblich sicherer gemacht und die
Risiken reduziert hat", sagt Felicia
Stoica, Fachreferentin für die Maschi-
nenrichtlinie bei der Generaldirektion
Grow der Europäischen Kommission.
"Die Beteiligung aller Akteure rund
um die Werkzeugmaschinenindustrie,
insbesondere der Maschinenherstel-
ler und ihrer Lieferanten, hat dafür
gesorgt, dass die Maßnahmen sinn-
voll und praxistauglich sind."
Die Maschinenrichtlinie stellt
natürlich auch die Hersteller von
Werkzeugmaschinen in den Fokus,
die ihr Design einer Risikobewertung
unterziehen müssen. Seitdem ihre
erste Fassung veröffentlicht wur-
de, gab es im Normungsumfeld der
Richtlinie und insbesondere bei der
Risikobewertung erhebliche Verände-
rungen. Infolgedessen werden die Si-
cherheitsanforderungen noch immer
lebhaft diskutiert, so beispielsweise
auch die Zuverlässigkeit der Mechat-
ronik in Sicherheitsfunktionen.
Streng nach dem Subsidiaritäts-
prinzip werden derartige Regeln
für Sicherheitsmaßnahmen von
Expertengremien in Normungspro-
zessen erarbeitet. Für Werkzeug-
maschinen findet diese Arbeit in-
ternational auf ISO-Ebene statt.
Entsprechend viele Akteure müssen
sich bei einem globalen Markt auf
den Stand der Technik einigen.
"Für die Maschinensicherheit müssen
zahlreiche Unternehmen oder Behör-
den direkt einbezogen werden. Es
kann schwierig sein, einen Konsens
auszuhandeln", so Christian Neu-
meister, Sekretär der ISO-Arbeits-
gruppe für die Sicherheit von Fräs-
maschinen. "Aber letztendlich finden
wir immer Kompromisse, die die An-
forderungen der Gesundheits- und Si-
cherheitsbehörden erfüllen und den
Aufwand für die Industrie auf einem
akzeptablen Niveau halten."
Funktionale Sicherheit:
die neue Herausforderung
Im Rahmen der Zuverlässigkeit
muss die Sicherheit durch Quanti-
fizierung der Fehlerwahrscheinlich-
keiten nachgewiesen werden. Bei
Werkzeugmaschinen ist dies relativ
schwierig, da die Gefährdungen
hoch sein können, auch wenn sie
nur sehr selten wirklich eintreten.
In einer wissenschaftlichen Studie
im Auftrag des VDW analysierte Nika
Nowizki von der Universität Stuttgart
die Laufzeiten von 578 Mehrspindel-
drehautomaten mit insgesamt 3.951
Spindeln, die hauptsächlich mit
Standard-SPS-Steuerungen ausgerüs-
tet waren. Dabei kam es seit 1992
in über 93.333.000 ausgewerteten
Maschinenbetriebsstunden zu kei-
nem einzigen sicherheitsrelevanten
Unfall. "Damit wurde unser Bauch-
gefühl wissenschaftlich bestätigt",
freut sich Eberhard Beck, Leiter für
Maschinensteuerungsdesign beim
Drehmaschinenhersteller Index in
Esslingen "Un-ser hohes Sicherheits-
niveau ist demnach nicht nur auf
einzelne Komponenten zurückzufüh-
ren, sondern auf unsere langjährig
erprobten Konstruktionsprinzipien
und auf entsprechende Produktsi-
cherheitsstandards, die sich in der
Praxis bewährt haben."
Bei vielen Sicherheitsthemen
besteht dennoch weiterhin Hand-
lungsbedarf. Beispielsweise führt die
jüngste Entwicklung der Drehbear-
beitung auf Fräsmaschinen bei den
Herstellern und ihren Kunden zu Ver-
unsicherung, ob in diesem Fall das
Argument der Betriebsbewährtheit
auch in Zukunft anwendbar bleibt.
Ein Zwischenfazit lautet, dass dies
nur möglich ist, wenn man auch die
Lieferanten von Spannvorrichtungen
einbezieht. Ein anderes Thema ist die
Marktaufsicht. Werkzeugmaschinen
sind komplexe Produkte, in der Regel
teure Spezialanfertigungen. Sie sind
häufig zu groß für Labortests. Es ist
daher schwierig festzustellen, ob das
Design den Sicherheitsbestimmun-
gen entspricht.
Den
Marktaufsichtsbehör-
den fehlt es insbesondere an
qualifizierten Mitarbeitern und
an Zeit, dies zu untersuchen.
Zur Unterstützung veröffentlicht der
europäische Werkzeugmaschinenver-
band Cecimo so genannte CE-Guides
als Leitfäden zur Sicherheit von
Werkzeugmaschinen In einfachen
Worten und mit aussagekräftigen
Grafiken werden hier die wichtigen
Aspekte erläutert. "Wenn wir ein-
heitliche Wettbewerbsbedingungen
für alle Marktteilnehmer gewährleis-
ten wollen, müssen wir die Marktauf-
sichtsbehörden bei ihrer Arbeit
unterstützen", erklärt Maitane Ola-
barria von Cecimo. Nach Säge- und
Erodiermaschinen führte die kürzlich
fertiggestellte Norm zur Sicherheit
von Fräsmaschinen, ISO 16090, zur
Veröffentlichung eines neuen CE-Gui-
de, der auf der EMO Hannover 2017
vorgestellt wird.
Are machine tools safe?
Depend on it!
T
he safety of machine tools
is a major issue. Complex
machinery, high speeds,
and high power levels can
be a dangerous mixture for the
operator. Nevertheless, machine
tools are very safe products.
Many stakeholders have been col-
laborating for a long time to reach
the current safety level: machine tool
manufacturers, operators, health and
safety experts, EU policy-makers and
international standardisation groups.
At the Safety Day for Machine Tools at
EMO Hannover 2017, top experts will
present their insights on the require-
ments and challenges entailed by the
current state of the art, mapping out
how practical solutions ensure high
levels of safety and elucidating what
remains to be done in the future.
It is a remarkable story: "For many
decades, our companies have proven
that they can handle the risks that
come with the operation of machine
tools", explains Heinrich Mödden, a
machinery safety expert at the EMO
organizer VDW (German Machine Tool
Builders' Association). Certainly there
is a lot of work still needed, but, as
Mr. Mödden continues, "it pays off, as
the number of accidents is continu-
ously declining." This shows that a
high level of safety has already been
achieved with traditional design prac-
tices.
Machine tools:
Safety Inside!
A large contribution to this gratify-
ing trend has to be attributed to Eu-
ropean Machinery Directive 2006/42/
EC (MD), which was issued in 1993
and aimed at levelling the safety
standards for machinery across the
European Union. "The EU Machinery
Directive has been a success story,
making working environ-ments signifi-
cantly safer and reducing hazards",
says Felicia Stoica, policy officer for
the Machinery Directive at the Europe-
an Commission's Directorate-General
for Growth. "The involvement of all
stakeholders in the machinery sector,
especially manufacturers and their
equipment suppliers, has ensured that
the actions taken are practicable and
beneficial."
The MD takes manufacturers of
machine tools into its focus, too, and
they have to conduct risk assessments
for their design. Since the first version
of the MD was established, there have
been considerable alterations in the
standardization environment covered
by this directive and in particular to
risk assessment. As a result, the safety
requirements are still being animat-
edly discussed, e.g. the reliability of
mechatronics in safety functions.
Following strict subsidiarity, such
rules for safety measures are formu-
lated by expert panels in standardisa-
tion processes. For machine tools, this
work is being performed on a global
ISO level. Hence, many of the inter-
national market actors are negotiating
about the state of the art. "Machine
safety evokes strong involvement of
companies or authorities. It can be a
tough job to find a consensus", states
Christian Neumeister, secretary of the
ISO working group for safety of milling
machines. "But in the end, we usually
find compromises to satisfy the de-
mands of health and safety authorities
and keep the effort involved for the in-
dustrial sector to an acceptable level."
Functional safety:
the next big thing
Functional safety means that safe-
ty has to be proven by quantification
of failure probabilities. For machine
tools, this is quite difficult, as haz-
ards can be high, even though they
occur very rarely. In a scientific study
that the VDW organized on behalf of
its member bodies, Nika Nowizki from
the University of Stuttgart analysed
the running times of 578 multi-spin-
dle automatic lathes with a total of
3951 spindles using mostly standard
PLC controllers. These produced not a
single safety-related accident in over
93,333,000 machine hours of opera-
tion evaluated since 1992. "We were
happy to see that our gut feeling was
scientifically reconfirmed" smiles Eber-
hard Beck, Head of Machine Control
Design at the lathe manufacturer In-
dex in Esslingen, Germany. "It shows
that our high safety level is attribut-
able not only to single components,
but to our long-term empirical design
principles according to product safety
standards, which are proven-in-use."
Still, many safety subjects need fur-
ther insights. For example, the recent
development of turning operations on
milling centres is causing uncertainty
among manufacturers and their cus-
tomers as to whether the proven-
in-use argument for machine tools
remains valid for the future. An inter-
mediate conclusion is that this is only
possible when the suppliers of clamp-
ing devices are involved.
Another subject is market surveil-
lance. Machine tools are complex
products, usually custom-built, and
too large and expensive for lab test-
ing. This means it is difficult to deter-
mine on-site if the design is compliant
with safety regulations. In particular,
market surveillance authorities lack
qualified personnel and time to in-
vestigate. One concept to help market
surveillance authorities in doing their
job is the CE Guides on Machine Tool
Safety published by Cecimo, the Eu-
ropean Machine Tool Association. In
simple words, with instructive illustra-
tions, they spotlight the important
aspects involved. "If we want to have
a level playing field with all market
participants, we need to assist mar-
ket surveillance authorities in doing
their job better", points out Maitane
Olabarria of Cecimo. After sawing and
EDM machines, the recently finished
safety standard for milling machines,
ISO 16090, triggered the publication
of a guide to be presented at EMO.
SindWerkzeugmaschinen sicher? Aber sicher!
EMO Hannover 2017 lädt ein zum EMO Safety Day