Ausgabe zur GMTN 2019

9 NACHHALTIGKEIT IN DER GIESSEREI Viel Potenzial – ökologische, wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit in der Gießerei Gießereien sind nahezu ein Paradebeispiel, wenn es um die Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit geht. Denn Gussprodukte entsprechen nahezu zu 100 Prozent dem Recyclinggedanken. TEXT & BILD: MESSE DÜSSELDORF GMBH MESSEPLATZ, STOCKUMER KIRCHSTRASSE 61 D-40474 DÜSSELDORF GERMANY N ach ihrem Lebens- zyklus werden Guss- produkte wieder dem Ma t e r i a l k r e i s l a u f zugeführt, das heißt sie wer- den eingeschmolzen, und ein neues Gussprodukt entsteht. Daneben werden auch Alt- und Neuschrotte zur Gussherstel- lung eingesetzt. Die Eisen- und Stahlgießereien kaufen Jahr für Jahr ca. 3,5 Mio. verschiedene Schrottqualitäten zu. Auch rund 95 Prozent des Sandes, der zur Formherstellung benutzt wird, befindet sich in einem wieder- kehrenden Kreislauf. Moderne Aufbereitungsprozesse machen es möglich. Im Fach Recycling gibt es für die Gießereibranche also eine Eins mit Sternchen. Nachhaltigkeit und Ressourcen-effizienz Zusätzlich ist diese energiein- tensive Branche schon immer den Zielen der Nachhaltigkeit und Res- sourceneffizienz stark verpflich- tet. Innovationen im Bereich der Produkt- und Prozesssimulation ermöglichen es, heute gegosse- ne Bauteile herzustellen, die den Anforderungen eines wirtschaft- lichen und ökologischen Leicht- baus entsprechen. Cesare Trog- lio, Bereichsleiter Technik und Innovation beim Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie (BDG), sieht zahlreiche wichtige Ansatzpunkte, den Forderungen nach Nachhaltigkeit und Ressour- censchonung bei der Produktent- wicklung, in der Produktion und während der Produktlebensdauer Rechnung zu tragen: „Gegossene Bauteile repräsentieren in hervor- ragender Weise den Grundgedan- ken des Labels ecoMetals.“ Mit letzterem betont das Düs- seldorfer Metallurgiemesse-Quar- tett GIFA, METEC, THERMPRO- CESS, NEWCAST den Belang der Aspekte Ressourcen- und Energie- effizienz, Klimaschutz sowie in- novative Verfahren und Produkte. Auch im Juni 2019 (25. bis 29. Juni) werden in Düsseldorf Aus- steller, die zu mindestens einem dieser Themen Produkte, Lösun- gen oder Verfahrensschritte prä- sentieren, besonders hervorgeho- ben. „Der USP des Messequartetts von GIFA, METEC, THERMOPRO- CESS und NEWCAST ist die nahezu komplette Marktabdeckung – da darf der Nachhaltigkeitsgedanke nicht fehlen“, erläutert Friedrich Kehrer, Global Portfolio Director Metals and Flow Technology Mes- se Düsseldorf GmbH. Die Besucher der Messe können sich über eine spezielle Broschüre zu diesem Thema und online über das Aus- stellerangebot zur ecoMetals in- formieren. Darüber hinaus wird es geführte Touren – die ecoTrails – speziell für interessierte Besucher geben. Dabei dürften einige Aussteller das Label ecoMetals tragen. Denn viele Gießereien investieren in Fertigungsprozesse, erhöhen die Wertschöpfungstiefe und reduzie- ren permanent den Ressourcen- einsatz. Ein wichtiger Baustein und Zukunftsmotor auf diesem Weg ist die Digitalisierung der Produktion. Diese bietet große Chancen sowohl zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit als auch zur Umsetzung nachhaltiger Strategien. Zeit und Kosten sparen Simulationen und zunehmend der 3D-Druck ermöglichen nicht nur den Bau hochkomplexer Teile, sondern lösen die energie-, res- sourcen- und zeitintensive Trial- and-Error-Methode ab. Das dachte sich auch das Leipziger Team von GF Casting Solutions. Seit Som- mer 2018 ist hier die Serienferti- gung in 3D-Druck von Sandkernen angelaufen. „Der Grundstein da- für wurde bereits vor zwei Jahren gelegt“, berichtet Matthias Hein- rich, Geschäftsführer von der GF Casting Solutions Leipzig GmbH. Im Rahmen der Strategie 2020 habe der Leipziger Standort die Divisionsleitung mit einem schlüssigen Konzept zur Investi- tion in einen 3D-Seriendrucker für Sandkerne überzeugen können. So fungiert der Standort heute nicht nur als Innovationszent- rum und Prototypenlieferant für alle anderen Gießereien der GF Division, sondern fertigt zudem in Serie. „Der kalthärtende Phe- nol 3D-Drucker in Leipzig ist der zweite seiner Art in Deutschland und bundesweit der erste, der in der Serienproduktion eingesetzt wird“, erläutert Heinrich. Die Vorteile für die Kunden: eine erhebliche Zeit- und Kos- tenersparnis bei der Fertigung von Prototypen und Ersatztei- len. Zudem wird die Prozesssi- cherheit durch den Wegfall von Kernmontagen erhöht, und das Konstrukteursherz schlägt beim Gedanken an die unbegrenzten Gestaltungsmöglichkeiten höher. Die Einsatzgebiete der 100 bis 1.000 kg schweren Gussteile sind vielfältig. „Sie kommen in LKWs, Baumaschinen, der Land- und Forstwirtschaft, Solarparks und Windkraftanlagen, Schienenfahr- zeugen, dem allgemeinen Maschi- nenbau und unserem neuen Pro- duktsegment, der Hydraulik, zum Einsatz“, zählt Heinrich auf. Produkte mit erhöhter Wirkkraft „Gerade im Hinblick auf Proto- typen und Kleinserien kann durch solche Technologien viel Zeit und Energie beim Bau von Werkzeugen eingespart werden“, resümiert BDG-Mann Troglio. Einen Beitrag zur Umweltfreundlichkeit leisten auch die Fortschritte bei orga- nischen Bindemitteln sowie der Einsatz anorganischer Bindemit- tel, wie sie beispielsweise beim Gießereizulieferer ASK Chemicals entwickelt werden. „Wir fokussie- ren uns in erster Linie darauf, die Wirkkraft unserer Produkte zu er- höhen und so einen Mehrwert für unsere Kunden zu generieren, da beispielsweise der Materialeinsatz reduziert werden kann und somit die Summe potenzieller Emissio- nen verringert wird“, erklärt Dr. Jens Müller, Leiter Forschung und Entwicklung bei ASK Chemicals. Dem Unternehmen ist es ge- lungen, für den Eisenguss das weltweit erste kennzeichnungs- freie Phenolharz für den Cold Box- Prozess zu entwickeln. Es kann also in diesem Prozess auf eine Gefahrgutkomponente verzichtet werden. Müller ergänzt: „Neben den Umweltvorteilen ergeben sich auch weitere Vorzüge: Die beson- ders hohe Reaktivität dieses neuen Systems ermöglicht es, in vielen Fällen, Binder zu reduzieren und Katalysatormengen abzusenken.“ Im Aluminiumguss gewinnen anorganische Bindersystem zu- nehmend an Bedeutung. Auch ASK Chemicals stellt ein stärke- res Bewusstsein für nachhaltige Produkte fest. „Sicher dadurch getrieben, dass sich die Rahmen- bedingungen vor allem in Europa durch entsprechende Regulari- en verschärft haben“, mutmaßt Müller und freut sich umso mehr, dass Produktentwicklungen zum Schutze der Umwelt auch darüber hinaus erfolgreich sind: „Am An- fang hat keiner wirklich geglaubt, dass die Technologie der anorga- nischen Bindersysteme herkömm- liche Prozesse ablösen würde. Das mag daran liegen, dass abgese- hen von dem ursprünglichen Um- weltaspekt sich auch technologi- sche und wirtschaftliche Vorteile ergeben haben. Heute ist sie eine feste Größe im Leichtmetallkokil- lenguss.“ Ökologisch, wirtschaftlich, sozial Nachhaltigkeit ist eben nicht immer nur ökologisch zu betrach- ten. „Nachhaltigkeit heißt auch ökonomisch und sozial agieren“, findet auch Elke Radtke beim BDG zuständig für Umwelt- und Arbeitsschutz. „Als Verband in- formieren wir über die Regularien und Vorschriften, die die Gießerei- branche betreffen. Dabei stellen wir fest, dass gerade gesetzliche Vorgaben zum Schutz der Umwelt oft die soziale und wirtschaftliche Komponente nicht ausreichend be- rücksichtigen. Ein Unternehmen, gerade im kleinen und mittelstän- dischen Bereich, muss im Rahmen der Verhältnismäßigkeit auch in der Lage sein können, Prozesse anzupassen und auf neue Tech- nologien zurückzugreifen. Denn unwirtschaftliches Handeln führt auf Dauer zum Misserfolg, was wiederum Arbeitsplätze bedroht. Nachhaltig – im Sinne von sozial – ist das nicht.“ (Autor: Carina Hendricks, mediamixx GmbH/Deutschland)

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