Ausgabe zur TUBE+WIRE 2018

5 INNOVATIVE ROHRPRODUKTE TEXT: MESSE DÜSSELDORF GMBH MESSEPLATZ, STOCKUMER KIRCHSTRASSE 61 40474 DÜSSELDORF GERMANY R ohre gehören zu den am vielseitigsten ver- wendbaren Produkten und Konstruktionsele- menten überhaupt. Egal ob im Energiesektor, im Maschinen-, Kraftwerks- oder Fahrzeugbau, in der Chemie- und Petrochemie, im Bausektor und vielen anderen Be- reichen, überall finden sich Rohre und Rohrkonstruktionen unter- schiedlichster Formen, Größe und Gewichte. Ein besonders breites Spektrum decken dabei die Stahl- rohre ab, die sich nicht zuletzt auch wegen der Innovationskraft der Hersteller neue Anwendungen erobern oder in angestammten Einsatzgebieten durch Neu- und Weiterentwicklungen immer wie- der ihre Stellung behaupten. Im Energiesektor sind Rohre nicht nur für den Transport von Öl oder Gas unverzichtbar, auch als Kons- truktionselemente spielen sie eine bedeutende Rolle. So bestehen die meisten Gründungsstrukturen, also die Fundamente von Offshore-Wind- kraftanlagen aus Rohrelementen. Bei der Offshore-Förderung von Öl- und Gas übernehmen Rohre ebenfalls wichtige Aufgaben. Spezielle Rohre für die Tiefsee Unter anderem mit diesem Anwen- dungsbereich beschäftigt sich bei der Salzgitter AG die für Forschung und Entwicklung des Geschäftsbereiches Mannesmann zuständige Salzgit- ter Mannesmann Forschung GmbH (SZMF). Gefragt sind nach Unterneh- mensangaben nicht nur Produkte, sondern verstärkt komplette tech- nologische Lösungen. So wurden im Rohrbereich Super-Duplex-Rohre für Tiefsee-Anwendungen optimiert, um auch in größeren Wassertiefen eine sichere Medienversorgung sicherzu- stellen. Solche Tiefsee-Versorgungsrohre (sogenannte Umbilicals) werden auf Offshore-Plattformen zum Transport von Steuersignalen, Energie oder Chemikalien von der Wasseroberflä- che bis zum Meeresgrund verwendet. Besonders Standorte in großen Was- sertiefen bis zu 2.500 Meter stellen höchste Ansprüche an Festigkeits- und Ermüdungseigenschaften sowie an die Korrosionsbeständigkeit der verwendeten Rohre. Vor diesem Hin- tergrund wurden Versuchsprozeduren entwickelt, um die Qualifikation von Super-Duplex-Rohren für Tiefsee- Anwendungen zu ermöglichen. In enger Kooperation mit ersten Kunden konnten laut Unternehmen die Rohr- eigenschaften schnell und effizient ermittelt und erfolgreich qualifiziert werden. Andere Wachstumsbereiche, die in den kommenden Jahren mit For- schungs- und Entwicklungsvorhaben unterstützt werden, konzentrieren sich auf die kundenorientierte Opti- mierung der Rohreigenschaften. Bei- spiele dafür sind neue Entwicklungen für den Automobilbau. Von vielen bereits abgeschrieben, wird der Verbrennungsmotor nicht nur nach Einschätzung der Automobilherstel- ler noch viele Jahre eine wichtige Antriebsquelle darstellen. Dazu müs- sen aber Verbrauch und Schadstoff- emissionen weiter gesenkt werden. Hier können Präzisrohre für höhe- re Einspritzdrücke helfen, die eine umweltschonendere Verbrennung gewährleisten. Im nichtmotorischen Bereich können Rohre mit variablen Rohrwanddicken für belastungsge- recht optimierte Anwendungen den Leichtbau unterstützen. Innovationen für automobile Rohrlösungen Das Thema automobiler Leichtbau steht auch bei der Benteler AG im Fokus der Forschungs- und Entwick- lungsaktivitäten. Dazu veranstaltete das Unternehmen im vergangenen Jahr bei Bad Driburg den ersten Steel/Tube Leichtbautag. Als neues- te Innovation für automobile Rohr- lösungen wurde unter anderem der Prototyp eines Vorderachsträgers für Elektrofahrzeuge vorgestellt. Dank eines neuen innovativen Stahlkon- zeptes will man damit das Gewicht um 35 Prozent verringert haben. Für die Automobilhersteller aufgrund des hohen Leichtbaupotenzials eben- falls von Interesse: Der Einsatz ge- schweißter Rohre aus einem neuen Stahl mit sehr hoher Festigkeit und gleichzeitig überdurchschnittlich großem Umformvermögen. Davon hat das Unternehmen eigenen Anga- ben zufolge bereits erste Prototypen für Kunden zur Validierung gefertigt. Ebenfalls für die Automobilindu- strie bestimmt sind ultrahochfeste Rohre, die als innovative automobile Federungssysteme Anwendung fin- den sollen. Mit diesen Fahrwerkslö- sungen sollen sich im Vergleich zur aktuellen Serienlösung bis zu 30 Pro- zent Gewicht einsparen lassen. Ende 2016 konnten laut Beneler die ersten Systeme beim Kunden hergestellt und validiert werden. Erste Erfolge hat man dem Verneh- men nach auch im Bereich warmge- walzter Achsrohre erzielt. Hier ist die Serienbelieferung nach den ersten Buchungen seitens der Kunden er- folgreich angelaufen. Darüber hinaus hat das Unternehmen im Bereich der Achsen sowie Spurstangen und Achs- lenker für Nutzfahrzeuge erfolgreich mehrere innovative Stahl- und Rohr- lösungen bei Kunden platziert und Prototypen geliefert. Neue Lösungen für Industrie und Energie Auch außerhalb des Automobil- sektors sind bei Benteler Innovatio- nen zu finden. Im Bereich der indus- triellen Anwendungen von nahtlosen Präzisionsrohren zählen dazu Vorroh- re zum Herstellen von Injektionsan- kern (Ground Engineering). So hat man für ein industrielles Großprojekt in den Niederlanden zur Untertun- nelung einer Autobahn erfolgreich einen modifizierten Stahlwerkstoff mit, wie es heißt, „herausragender Kombination aus Festigkeit und Zä- higkeit“ in Verbindung mit einer speziellen Walz- und Wärmebehand- lungstechnologie entwickelt und umgesetzt. Andere aktuelle Projekte des Unternehmens sind geschweißte und nahtlose Leitungsrohre mit einer speziellen Oberflächentechnologie (Zista Seal), die für einen „exzellen- ten Korrosionsschutz in Kombination mit herausragender Verarbeitungsfä- higkeit“ sorgen soll. Leichte Rohrkonstruktion für Elektromobilfahrwerke Auch wenn der Verbrennungsmo- tor im Fahrzeugbau noch lange nicht ausgedient hat, kann man davon ausgehen, dass die Elektromobilität in Zukunft zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. Darauf müssen sich die Hersteller von Rohrkomponenten einstellen. Ein reines Elektroauto braucht nun einmal kein aufwendi- ges Abgassystem mehr, um nur ein Rohr-Bauelement beispielhaft zu erwähnen. Ein anderes Thema – der Leichtbau – dürfte mit zunehmender Verbreitung von batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen jedoch eher noch an Bedeutung gewinnen. Akkupacks für eine auskömmliche Reichweite von 300 bis 500 Kilometern wie- gen derzeit noch viele Hundert Ki- logramm, woran sich zumindest in näherer Zukunft nicht allzu viel än- dern wird. Falls man nicht doch auf die Batterien weitgehend verzichten kann - Stichwort Brennstoffzelle - ist eben Gewicht sparen an anderer Stel- le angesagt. Deshalb spielt die Gewichtsredu- zierung von Fahrzeugteilen, die zu einer erhöhten Effizienz und Scho- nung der Ressourcen führt, eine entscheidende Rolle. Moderne „exo- tische“ Werkstoffe wie zum Beispiel Karbon stoßen bei der Massenpro- duktion aber immer noch an ferti- gungstechnische und wirtschaftliche Grenzen, auch wenn die Fortschritte bei der industriellen Verarbeitung solcher Werkstoffe unübersehbar sind. Als Alternative bieten sich hier Leichtbaulösungen mit dem altbe- währten Werkstoff Stahl an. Passend zum Thema hat Thyssen- krupp Precision Steel in Hohenlim- burg vor einiger Zeit ein neues Bauteil für das Fahrwerk von Elektrofahrzeu- gen präsentiert. Der Mittelbandspe- zialist im Konzern hat als Koopera- tionspartner dafür eine superleichte Rohrkonstruktion aus hochfestem Stahl (HBS 800) entwickelt. Die optimierte Fahrwerkskomponente soll aufgrund des verringerten Ma- terialeinsatzes eine Gewichtseinspa- rung von über 34 Prozent erlauben. Das um ein Drittel leichtere Bauteil bietet darüber hinaus laut Unter- nehmen Vorteile wie verkürzte Pro- duktionszeiten und einen erheblich verringerten Verschnitt. Für Serien- hersteller besonders wichtig: Für die Produktion der innovativen Rohrkon- struktion können sie ihre konventi- onellen Fertigungsverfahren weiter nutzen. Als weiterer Bestandteil des neu- en Fahrzeugkonzepts sind zudem Rohrstabilisatoren aus Mangan-Bor- Stahl zu nennen. Diese innovative Lösung soll eine Gewichtsersparnis von 45 Prozent bringen und auf- grund des homogenen Gefüges und engster Dickentoleranzen auch das Hochfrequenz-Schweißen zulassen. Das Konzept erlaubt außerdem va- riable Wanddicken, die eine weitere Gewichtsreduzierung ermöglichen. Gefertigt werden diese neuen Stahl- Leichtbaulösungen von einem Wei- terverarbeiter für die Automobilindu- strie. Laut Thyssenkrupp Steel Europe AG soll die Entwicklung der Koope- rationspartner bei einem Projekt für den asiatischen Markt umgesetzt werden, das als Ziel ein besonders langlebiges Elektromobil vorsieht. Innenhochdruckumformen von Aluminium-Stahl-Hybridrohren Neben Stahl und verschiedenen Kunststoffen gehört Aluminium zu den meistverwendeten Werkstoffen im Automobilsektor. Das Verbinden von Bauteilen aus Stahl mit sol- chen aus Aluminium ist aber mit Problemen behaftet. An der Lösung hat das Institut für Integrierte Pro- duktion Hannover (IPH) gGmbH gemeinsam mit dem Laser Zentrum Hannover e.V. (LZH) gearbeitet. Das Ergebnis sind Hybridrohre aus Aluminium und Stahl (Tailored Hy- brid Tubes), die sich sogar mittels Innenhochdruckverfahren umfor- men lassen. Dazu werden zunächst Rohrelemente aus Stahl und Alu- minium mit Hilfe des Laserlötens gefügt. Anschließend ist das In- nenhochdruckumformen möglich, ohne dass die Verbindung bricht. Die Entwickler sind davon über- zeugt, dass sich mit dieser Techno- logie zukünftig besonders leichte Bauteile für Fahrzeugkarosserien herstellen lassen. Tube 2018: Innovative Rohrprodukte aus Stahl undAluminium

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