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PHOTOVOLTAIK
TEXT & BILD: FRAUNHOFER ISE
HEIDENHOFSTR. 2, 79110 FREIBURG
W
irkungsgrad
und
Zuverlässigkeit der
solaren Stromer-
zeugung
werden
wesentlich von den Eigenschaf-
ten des Photovoltaik (PV)-
Wechselrichters bestimmt. Als
zentrales Element einer PV-An-
lage wandelt er den von den PV-
Modulen erzeugten Gleichstrom
in Wechselstrom für das Netz.
Bislang steht bei der Forschung
im Bereich leistungselektronischer
Wandler meist die Erhöhung der
Leistungsdichte durch den Einsatz
neuster Halbleitertechnologien
und Schaltungstopologien im Fo-
kus. Um dem stetig steigenden
Kostendruck einer globalisierten
PV-Wirtschaft zu begegnen, sind
jedoch neue Forschungsansätze
erforderlich. Forscher des Fraun-
hofer-Instituts für Solare Ener-
giesysteme ISE haben gemeinsam
mit Partnern untersucht, wie eine
neue Generation von PV-Wechsel-
richtern aussehen kann, die dem
Aspekt der Kostenoptimierung
Rechnung trägt. Aufbau-, Küh-
lungs- und Verbindungstechnik
wurden dabei als zentrale Stell-
schrauben identifiziert.
Im Projektnamen steckt das Ziel:
»PV-Pack: Optimierte Kühlungs-,
Verbindungs- und Aufbautechnik
für effiziente, schnell getaktete
und hochintegrierte Photovoltaik-
Wechselrichter der Leistungsklasse
10 – 40 kW«. Um dieses zu errei-
chen hat sich mit der SMA Solar
Technology AG, dem Fraunhofer-
Institut für Fertigungstechnik und
Angewandte
Materialforschung
IFAM, der Phoenix Contact GmbH
& Co. KG und dem Fraunhofer ISE
ein hochqualifiziertes Konsortium
zusammengefunden. Dabei er-
gänzen sich die Verbundpartner
ideal auf den Gebieten thermisch
hochleitfähiger
Sintermateria-
lien, Verbindungstechnik sowie
Leistungselektronik. Die schnelle
Entwicklung der Marktbedürfnisse
im Blick, haben sie schon zu Pro-
jektbeginn die Zielmarke für die
Entwicklung eines hochintegrier-
ten PV-Wechselrichters auf eine
Nennleistung von 70 kW erweitert.
Dabei wurden speziell die mecha-
nischen und elektromechanischen
Komponenten analysiert, inno-
vative Lösungsansätze erarbeitet
und diese in einem Gesamtkonzept
vereint.
Systemaufbau
Am Anfang der Projektarbeit
stand eine Kostenanalyse der
mechanischen und elektrome-
chanischen Komponenten, de-
ren Kostenanteil bei heutigen
Geräten bei bis zu 70 % liegt.
Zu den mechanischen Kompo-
nenten zählen das Gehäuse,
die Kühlungskomponenten und
Stützstrukturen. Die elektro-
mechanischen
Komponenten
umfassen Bauteile wie Steckver-
binder, Induktivitäten und Lei-
terkarten. »Ein Lösungsansatz
zur Kostenreduktion besteht
darin, die Technologien der
verwendeten Komponenten aus
den kleineren Leistungsklassen
so zu optimieren, dass daraus
Geräte mit größerer Leistung
entwickelt werden können« so
Sebastian Franz, verantwortlich
für das Team »Schaltungsent-
wicklung und Hardware-Design«
in der Abteilung Leistungselekt-
ronik und Netztechnologien des
Fraunhofer ISE.
Zentrales Element des hochin-
tegrierten Konzepts ist der so-
genannte »Heiße Kern«. Dabei
können mehrseitig die auftre-
tenden Verluste der Halbleiter
über den Kühlkörper abgeführt
werden. Durch die Abkopplung
des Kühlkörpers vom Gehäu-
se konnten die Entwickler das
maximale
Temperaturniveau
um 30 % anheben und in Ver-
bindung mit Sintermaterialien
den Materialeinsatz maßgeblich
reduzieren. Das Aufbaukonzept
beinhaltet
unterschiedliche
Temperaturzonen, welche sich
durch die Art der Kühlung, die
maximalen Temperaturen und die
IP-Schutzklassen differenzieren.
So lassen sich die kühleren Zo-
nen nutzen, um kostengünstige
Bauteile mit geringeren Tem-
peraturanforderungen einzuset-
zen. Auch bei den Leiterkarten
ließen sich durch den Einsatz
von Standardtechnologien Kos-
ten einsparen. Der zweistufige
leistungselektronische Wandler
beinhaltet fünf Hochsetzsteller
und eine dreiphasige Dreipunkt-
Wechselrichter-Topologie. Durch
die gezielte Verwendung von
Siliciumkarbid-Halbleitern (SiC)
und den damit verbundenen
höheren Taktfrequenzen gelang
es den Forschern, die passiven
Elemente erheblich zu verklei-
nern, wodurch sich zum einen
die Leistungsdichte steigern
und gleichzeitig auch hier der
Materialeinsatz reduzieren ließ.
Steigerung der Leistungs-
dichte
Den Projektpartnern ist es
gelungen, kostengünstige am
Markt verfügbare Technologien
aufzugreifen, diese zu modifi-
zieren und optimal kombiniert
in einem Gesamtgerätekonzept
zu vereinen. Der maximal ge-
messene Wirkungsgrad des ent-
wickelten Wechselrichters, inkl.
Eigenverbrauch, beträgt 98,8 %
und der europäische Wirkungs-
grad des Gesamtgeräts liegt bei
98,3 %. Die Reduktion des Vo-
lumens konnte im Wesentlichen
auch durch den Einsatz von klei-
neren mechanischen und elekt-
romechanischen Komponenten
erreicht werden. Dadurch wurde
ein Gesamtgewicht inkl. Gehäuse
von 58,5 kg bei einem Bauraum
von 110 Litern erreicht. »Mit
1200 W/kg übersteigt die Leis-
tungsdichte deutlich die von am
Markt verfügbaren Geräten« so
Sebastian Franz.
Das im Jahre 2014 gestarte-
te Projekt »PV-Pack« hatte eine
Laufzeit von drei Jahren und
wurde vom Bundesministeri-
um für Bildung und Forschung
(BMBF) mit rund 1,9 Millionen
Euro gefördert. Mit dieser Sum-
me unterstützt das BMBF im
Rahmen der Hightech-Strategie
der Bundesregierung und auf
der Grundlage des Programms
IKT2020 Forschungs- und Ent-
wicklungsprojekte zur Leis-
tungselektronik am Standort
Deutschland.
Photovoltaik-Wechselrichter mit
hochintegriertem Konzept verspricht Kostensenkung
Schnittbild durch das PV-Wechselrichtermodel
TEXT & BILD:
FRAUNHOFER ISE
HEIDENHOFSTR. 2,
79110 FREIBURG
GERMANY
D
urch die enormen
Kostensenkungen bei
den
Photovoltaik-
Modulen gewinnt der
Einsatz von Solarenergie im
Mobilitätsbereich an Attrak-
tivität.
Selbst Dieselkraftstoff im
Nutzfahrzeugbereich kann je
nach Einsatzbereich teilweise
durch Photovoltaik ersetzt wer-
den. Das Fraunhofer ISE hat eine
Ertragsanalyse für die PV-Strom-
versorgung von Nutzfahrzeugen,
z. B. Kühltransportern, mit real
gemessenen Einstrahlungsdaten
durchgeführt und ausgewertet.
Das Institut sieht auf Grund
der Ergebnisse großes Potenzi-
al und forscht gemeinsam mit
Partnern aus der Logistik- oder
Automotive-Branche an speziel-
len PV-Modulen für den Einsatz
im Nutzfahrzeugbereich. Diese
sollen auf den Dachflächen von
Nutzfahrzeugen angebracht wer-
den und Strom für den Antrieb
der Fahrzeuge oder die Kühlung
von Waren liefern.
Der Einsatz von Photovoltaik
im Nutzfahrzeugverkehr kann
dazu beitragen, den Dieselver-
brauch zu reduzieren, Kosten zu
sparen, dabei die CO
2
-Ausstöße
im Nutzfahrzeugverkehr zu sen-
ken und so die Umwelt- und
Klimaziele im Verkehrssektor zu
erreichen.
»Mit der Entwicklung einer
solaraktiven Fahrzeughülle wol-
len wir die Photovoltaik-Tech-
nologie für den Straßengüter-
verkehr verfügbar machen und
dazu beitragen, Logistikkosten
zu reduzieren«, so Matthieu
Ebert, Teamleiter Moduleffizienz
und neue Konzepte über die Ar-
beiten am Fraunhofer ISE.
Wirtschaftlichkeitsanalyse
auf Basis von realen Strahlungs-
messdaten
Während bisherige Wirtschaftlich-
keitsstudien für den PV-Einsatz im
Nutzfahrzeugbereich auf Simulatio-
nen mit synthetischen Wetterdaten
beruhten, hat das Fraunhofer ISE
nun in Zusammenarbeit mit dem Lo-
gistikunternehmen Dachser und der
Spedition Benzinger mehrere Lkw-
Trailer mit Einstrahlungssensoren
ausgerüstet, in Betrieb genommen
und so das Einstrahlungspotenzial
im realen Logistikbetrieb gemessen.
Über rund ein halbes Jahr wurden
Einstrahlungsdaten erfasst und
am Fraunhofer ISE ausgewertet.
Insgesamt sechs sogenannte 40t
Kühlauflieger waren mit entspre-
chenden Einstrahlungssensoren
versehen auf ihren handelsüb-
lichen Routen in den USA und
Europa – von Prag nach Mallorca,
von Paris nach München – unter-
wegs. Das Datenmaterial wurde
vom Fraunhofer ISE nach ver-
schiedenen Kriterien ausgewer-
tet. Die Wissenschaftler haben
die Einsparungen in Liter Diesel
je Fahrzeug, in Liter Diesel über
alle Routen und Fahrzeuge gemit-
telt sowie in Liter Diesel für drei
geographische Regionen ermit-
telt. »Führt man die so gewon-
nenen Einstrahlungsdaten und
die potenziell mit PV-Modulen
bestückbaren Dachflächen zusam-
men, lassen sich belastbare Aus-
sagen über die Rentabilität sol-
cher Systeme treffen«, so Ebert.
»Wir gehen auf Grund unserer
Berechnungen davon aus, dass
z. B. ein 40t Kühlauflieger mit
einer Dachfläche von 36 m² mit
PV-Modulen ausgestattet (Nenn-
leistung von 6 kW) bis zu 1900 l
Diesel pro Jahr einsparen kann«,
so Ebert. Wichtige Erkenntnis
der Studie, die auf der European
Photovoltaic Solar Energy Confe-
rence and Exhibition EU-PVSEC
2017 und der 8. Fachkonferenz
»Lkw und Fuhrpark« vorgestellt
wird, ist, dass die Dieselerspar-
nis und somit die Rentabilität
stark vom Nutzungsgebiet und
dem Nutzungsszenario der Fahr-
zeuge abhängt. Mit den aus der
Messkampagne gewonnenen Er-
kenntnissen können Ebert und
sein Team zukünftig Logistikun-
ternehmen bei der Fragestellung
beraten, ob sich der Einsatz von
PV für sie wirtschaftlich rechnet
und welche PV-Technologie am
besten für sie geeignet ist.
Individuelles Design für
fahrzeugintegriertes PV-Modul
Die zu entwickelnden fahrzeug-
integrierten PV-Module müssen
möglichst leicht und zugleich
effizient sein, um das zusätzli-
che Gewicht der Kühlauflieger
so gering wie möglich zu hal-
ten. Außerdem ist ein spezielles
Design erforderlich, um die PV-
Module auf dem Fahrzeugdach
anzubringen und dabei die ma-
ximale Höhe nach Straßenver-
kehrsordnung (STVO) einzuhal-
ten. Sie müssen sehr kompakt
im Aufbau sein und dynamisch-
mechanischen
Belastungen,
z. B. Vibrationen durch Fahrt,
widerstehen.
Das Fraunhofer ISE unterstützt
die Entwicklung von Leichtbau-
modulen mit seiner langjährigen
Kompetenz in Modultechnologie
und -prüfung. Die fachlichen Sy-
nergien des Forschungsinstituts
im Bereich der Leistungselekt-
ronik und Systemtechnik tragen
dazu bei, alle erforderlichen
Komponenten und deren Zu-
sammenspiel im Gesamtsystem
zu realisieren. PV-Module und
-Systeme können unter realen
Bedingungen im Transportbe-
trieb getestet werden. Ebert und
sein Team bieten interessierten
Unternehmen und Kooperati-
onspartnern im Bereich Logis-
tik und Fahrzeugbau Feldtests
mit dem Fraunhofer ISE an. Auf
Basis der Testergebnisse können
individuelle
Ertragsanalysen
erstellt und Einsparpotenziale
aufgezeigt werden.
Das Projekt wurde mit Mitteln
des Fraunhofer Zayed Progamm
gefördert und in Zusammenar-
beit mit dem Fraunhofer CSE in
Boston durchgeführt.
Fraunhofer ISE forscht an integrierten
Photovoltaik-Modulen für Nutzfahrzeuge